Geschichte und Gegenwart. Verdichtet. Gassen und Menschenmassen. Verdaut. Alles in eine Richtung. Einbahnstraße.
Der Besuch einer Stadt als Reisender mit Interesse am lokalen Kulturgut mutiert zur Herausforderung. Tickets wollen Wochen vor Reisbeginn online gebucht sein, andernfalls drohen endlose Warteschlangen. Spontanentscheidungen, eher nicht. Restaurants schwierig. Die Reise an sich, eigentlich eine Auszeit, taktet den Tag in Zeitfenster: Colosseum dreizehn Uhr dreißig, der einzig freie Slot. Forum Romanum in den vierundzwanzig Stunden um den Termin möglich. Einschränkung, Einlass nur einmalig. Vatikanische Museen, elf Uhr, bitte seien sie pünktlich eine Viertelstunde vorher vor Ort.
Hinter den Eingangspforten der gebuchten Orte sind sämtliche Wege als Einbahnstraßen Rundkurs angelegt. Das Kolosseum ein einziger Rundlauf. Immer weiter bitte, nicht zu lange stehen bleiben. Nicht vom Weg abkommen. Andernfalls wird der Reisende umgehend geschluckt von einer Gruppen mit Fahne, Regenschirm oder sonst etwas hochhaltendem, wahlweise in ein Mikrofon mit Verstärker oder direkter Übertragung in das Teilnehmerohr verbundenem „Guide“. Ausgespuckt am Ende der Gruppe, um möglichst mit Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schwärmen halbwegs ungeschubst mitzuschwimmen.
Den Petersdom ob der unendlich dahinziehenden Schlange um den Petersplatz auslassen. Oder doch nicht. Erst einmal die vatikanische Post suchen und finden. Sodann am frühen Abend nur noch ein kurzes Zickzack zwischen den Absperrbändern zur Sicherheitskontrolle. Unselige Familienmitglieder. Chance ergreifen. Einlass. An den Treppen zur Pforte teilt diese ein triviales Flatterband, links oder rechts? Links der direkte Weg in den Dom, rechts der Weg über die Kuppel. Keine Schlange, keine Menschen. Kurz entschlossen ohne irgendeine Wartezeit die verzweigten Wege hinauf erklimmen, immer gekrümmter den Rand der Kuppel hinauf gehend. Atemberaubend.
Stadtbummel. Menschen schieben sich durch die Gedärme der Gassen, bis sie eines ihrer Ziele auf der für alle gültigen Socialmedia Bucketlist erreichen und umgehend mit dem obligatorischen Selfie abhaken. Das Pantheon ist da als menschlicher Fleischwolf einer der Höhepunkte, das die sich stetig bewegende Masse Schritt für Schritt aufsaugt, im abgesperrten Kreis um das kreisrunde Loch der Kuppel durch das innere führt und durch die sorgfältig nach Lauflinien aufgeteilte übermenschliche Eingangspforte wieder ausspuckt. Ein Hoch auf die obligatorische Onlinebuchung zum Wochenende. QR-Code zeigen und verweilen.
Seitenstraßen. Suche nach Muße. Entdeckung. Auch das gibt es. Eine Osteria am Samstagmittag vollgespickt mit italienischen Familien und dazugehörigem Schauspiel. Autowerkstätten eingerahmt von Cafe und Lebensmittelgeschäft. Ein Labor für Pasta. Und mittendrin, unweit des Kolosseums, Universitätsabschluss feiern. Direkt nebenan Michelangelos Mosé besuchen. Keine Online Anmeldung, vielleicht zwanzig Menschen in der Kirche San Pietro in Vincoli. Genuss. Viel Grün. Stein-Kiefern.
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